Andacht vom 02. November 2014

02. November 2014, 20. Sonntag nach Trinitatis

Wenn ein Enkel zu Besuch kommt, dann sind die Großeltern gefordert. Natürlich wollten wir unserem Philipp auch etwas Besonderes bieten und gingen mit ihm zum Baumwipfelpfad beim Hermannsdenkmal. Hoch über dem Waldboden ist da ein Holzweg mit festen Planken gezimmert. Aber es gibt zwischendrin auch Hängebrücken, - gut abgesichert -, wo man auf großen schaukelnden Metall-Tellern oder auf schmalen Balken balancieren muss.

Beim ersten Mal nehmen wir Philipp in die Mitte. Er schaut seiner Oma interessiert zu, die vorangeht und wagt sich dann selber vorsichtig hinterher. Es schaukelt schon ganz schön. Jeder Metall-Teller hängt an vier eigenen Ketten, mit je einem Schritt ist der nächste Teller zu erreichen.

Für Philipp mit seinen zehn Jahren sind die Teller schon ziemlich weit auseinander. Er muss recht große Schritte machen, dadurch schaukeln die Teller natürlich mehr und er muss sich gut festhalten. Ein klein wenig ängstlich schaut er sich immer wieder um, ob der Opa auch nah genug hinter ihm ist.

Ich gehe direkt hinter ihm und manchmal kann ich den Teller, auf dem er steht, ein wenig voran schubsen, so dass Philipp keine zu großen Schritte machen muss. Als er schließlich den Steg geschafft hat, strahlt er erleichtert und stolz über das ganze Gesicht. Wir gehen den Weg noch einmal. Die Hängebrücke ist jetzt eigentlich kein Problem mehr. Aber Philipp meint: „Opa, bleibst du bitte hinter mir stehen? Aber nicht nachkommen, erst wenn ich drüben bin!“

Also bleibe ich stehen, sehe zu, wie er sich von Teller zu Teller hangelt, Schritt für Schritt, nach vorne blickend ohne sich umzusehen. Er weiß ja: Ich stehe hinter ihm. Und erst als er drüben angekommen ist, dreht er sich um und meint ganz lässig: „Opa, jetzt kannst du auch kommen!“

Was gibt uns Sicherheit im Leben? Als Christen verbindet uns der Glaube, dass hinter uns und neben uns Gott steht, der uns vertrauensvoll nach vorne blicken lässt. Gott, der das Vergangene in seinem Gedächtnis liebend bewahrt, unser Gelingen ebenso wie unser Scheitern. Und dieser Gott hat versprochen, uns nicht aus seiner Hand fallen zu lassen: „Du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne“ (Psalm 4,9).

von Lothar Becker, Pfarrer im Ruhestand in Halle