Andacht vom 05. Oktober 2014

05. Oktober, Erntedankfest

„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ – Diese großartige Verheißung gilt uns allen seit den Anfängen der Bibel, und sie passt gut zum Erntedankfest. Obwohl wir Westeuropäer/innen durch gut gefüllte Supermärkte flanieren und nicht mehr wissen, wie wir das exotische Angebot an Früchten und Speisen überbieten sollen, gibt es hierzulande viele Menschen, die kaum wissen, wie sie sich und ihre Familien ausreichend ernähren können. Weltweit betrachtet, trifft es sogar rund 900 Millionen Menschen in voller Härte – sie müssen hungern. Und das, obwohl unsere Erde genug für alle Menschen an Nahrung zu bieten hätte. Die Ursachen der ungerechten Verteilung von Nahrungsmitteln sind vielfältig. Und ich frage mich: Gilt die großartige Verheißung der Bibel nur denen, die auf den Sonnenseiten der Welt geboren wurden, denen unabhängig von Sommer und Winter alle Lebensmittel zur Verfügung stehen? Oder in welchem Sinn trifft uns die biblische Verheißung heute? Da landen wir sehr schnell bei der Frage: Was haben wir damit zu tun, bzw. was können wir tun? Wie können wir Einfluss nehmen, wenn wir uns diese Zahlen vor Augen führen?

Zunächst können wir bewusster mit dem Lebensmitteleinkauf umgehen, angesichts der Tatsache, dass 81,6 Kilo Lebensmittel pro Kopf und Jahr in Deutschland in der Tonne landen, 56 Kilo gehen durch Industrie, Handel, Großverbraucher verloren, dazu kommen noch die Verluste in der Landwirtschaft.

  • Dankenswerterweise gibt es längst die „Gütersloher Tafel“, die verwertbare Lebensmittel etc. aus Supermärkten an Bedürftige weitergibt.
  • Wir können uns wieder bewusster in Anlehnung an die lokalen jahreszeitlichen Erzeugnisse ernähren und damit unnötig weite Transportwege von Lebensmitteln vermeiden; oder:
  • Wir können wieder bewusster mit unserem Fleischkonsum umgehen.
  • Die Devise „Teller statt Tonne“ kann uns dazu ermuntern, kreativ die Reste zu verwerten, die der Kühlschrank hergibt – bevor der nächste Einkauf ansteht.
  • Wenn wir auf das Tanken von günstiger angebotenem Bio-Sprit (E 10) verzichten, können wir dazu beitragen, dass Menschen in ärmeren Ländern nicht ihren Landbesitz hergeben müssen und ihnen damit ihre Überlebensgrundlage für den Lebensmittelanbau entzogen wird – also demnächst an der Tankstelle an den Slogan „Teller statt Tank“ denken und lieber den Sprit mit dem geringeren Bio-Anteil tanken
  • und… und… und…

Wir können in kleinen Alltagsschritten dazu beitragen, dass die großartige biblische Verheißung noch mehr Menschen bewusst zu spüren bekommen und bewusst erlebt „Erntedank“ feiern, indem wir Gott „Danke“ sagen – nicht nur für unser Essen und Trinken, sondern auch für das Gute, das wir erfahren oder erleben dürfen: für ein Kind oder mehrere, für verlässliche Beziehungen, für gelungene Gespräche, für die Arbeitsstelle, einen erholsamen Urlaub oder eine Ruhepause, ein stimmungsvolles Fest, für das Ende eines erfüllten Lebens, für entgegengebrachtes Vertrauen oder für ein Lächeln, das uns aus eingefahrenen Gedanken holt und uns fröhlich stimmt.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine bewusst erlebte Erntedankzeit, die uns immer wieder zu kleinen Schritten zum Wohl der weltweiten Menschengemeinschaft bewegt. Denn: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht!“ (Aus dem 1. Buch Mose 8,22 )

von Christiane Karp-Langejürgen, Pfarrerin am Berufskolleg Halle/Westf.